Jeder Mensch hat eine gute Zeremonie verdient.
Das ist einer der Wahlsprüche bei den Freien Rednern, und danach leben wir. Dennoch gibt es Paare, bei denen wir nicht sicher sind. „Passt das? Stimmt die Chemie zwischen den beiden und mir als Freier Rednerin?“
Was tun wir, wenn wir nach dem Erstgespräch das Gefühl haben, überhaupt nicht auf einer Wellenlänge zu sein, das Paar uns aber unbedingt buchen möchte? Eine gute Zeremonie lebt eben neben aller Professionalität auch von Empathie, einer emotionalen Verbindung. Um so mehr wir das Paar persönlich mögen, um so leichter fällt uns die Planung einer herzensechten, persönlichen Zeremonie.
Kai und Mia
Schon mehrmals habe ich erlebt, dass ich nach dem Erstgespräch skeptisch war.
Das Beispiel, von dem ich hier erzähle, betrifft Kai und Mia (Namen geändert).
Zunächst habe ich die überaus sympathische Mia kennengelernt und mit ihr einen Termin zum Kennenlerngespräch vereinbart. Das allein gestaltete sich allerdings schon schwierig, weil sie einen 24/7-Job hatte und anscheinend kaum über eine freie Minute verfügte. Schrieb ich ihr eine Mail, dauerte die Antwort schonmal eine Woche.
Das Kennenlerngespräch mussten wir auf einen der wenigen Tage legen, an dem sie und ihr ebenfalls hart arbeitender Freund gemeinsam frei hatten.
Dann trafen wir uns und ich fand beide super nett, fragte mich aber doch im Stillen, warum sie heiraten wollten, denn sie sahen sich wegen ihrer Jobs kaum und hatten so gut wie keine gemeinsame Freizeit.
Sie wollten mich gerne buchen, und auch in den Monaten bis zum Zweitgespräch blieben wir für Fragen und Tipps in Kontakt, allerdings stand immer dieses „sind grad sehr im Stress“ im Raum, ich fühlte mich oft als Störenfried, wenn ich eine SMS oder Mail schreiben musste, und ich fragte mich ernsthaft, weshalb ein Paar heiratet, das sich doch eh nie sieht.
Wo soll da Romantik entstehen? Gemeinschaft? Seelenverwandtschaft? Ich schwelgte in Vorurteilen wie „Das ist doch nur eine PR-Veranstaltung oder sie tun es einfach, weil man es so macht und die Familien das erwarten.“
Vorurteile haben meist Nachteile
Und dann trafen wir uns zum zweiten Mal. Ausnahmsweise beim Paar zuhause, weil wir grad umzogen. Und ich, Humanistin, wie mein Mann mich immer nennt, die sich sehr viel auf ihre Empathiefähigkeit und Toleranz einbildet, musste feststellen, dass ich mich völlig unpassender Weise zu einem Richter aufgeschwungen hatte, der sich zudem total geirrt hatte.
- Das Haus strahlte herzliche Gemütlichkeit aus. Beide hatten sich ein warmes Zuhause geschaffen und waren während des Gesprächs völlig auf die Hochzeitsplanung fokussiert.
- Beide wirkten absolut glücklich, strahlten sich immer wieder an und erzählten, dass ihre Beziehung so funktioniere, dass sie sich voll Vertrauen Raum ließen und den anderen in all seinen Zielen unterstützten. Sie waren oft allein, aber nie einsam. Sie trennte weder Raum, noch Zeit, weil sie die Kommunikation hatten. SMS, WhatsApp, Anrufe, Mails, Briefe, Postkarten, Brieftauben oder Kutschen, völlig egal. Distanz trennt Menschen nicht voneinander. Stille tut das.
- Besonders geschämt habe ich mich, als der Bräutigam sagte: „Wir haben viele Menschen in unserem Freundeskreis die sich fragen, warum wir überhaupt heiraten. Wo wir uns doch so selten sehen. Dabei ist die Antwort ganz einfach: Weil wir uns lieben.“
An diesem Tag ging ich kleinlaut nach Hause, weil ich ein Paar erlebte, dass seine Art zu leben und zu lieben gefunden hatte und absolut glücklich damit war. Kai und Mia sind nicht zusammen, weil sie nicht ohne einander leben können, sondern weil sie nicht ohne einander leben wollen.
Und dann habe ich ihnen voller Dankbarkeit, dass sie meine Zweifel nie bemerkt und mich gebucht hatten, eine ziemlich emotionale Rede gehalten. Über echte Liebe, die alles überwindet.
Fotorechte: Julian Müller