Wusstet Ihr, dass es vor 100.000 Jahren schon Grabstätten gab?
Ja, vor gut 100.000 Jahren – als die letzten Vertreter des Homo erectus in Ausdauerjagden stundenlang durch die Gegend joggten und der Neandertaler das Moustérien herstellte – waren unsere Vorfahren schon Mensch genug für Rituale des Abschieds.
Wir Menschen sind zwar nicht die einzigen Wesen, die trauern; wir sind aber die einzigen, die Trauerfeiern organisieren. Mag der Tod ein selbstverständlicher Teil des Lebens sein, bleibt er für den Menschen die unerschöpfliche Quelle von Sinnfragen schlechthin.
Tota enim philosophorum vita, ut ait idem [Socrates], commentatio mortis est.
Denn das ganze Leben der Philosophen ist, wie Sokrates sagt, eine Vorbereitung auf den Tod.
(Cic. Tusc. 1.75)
Wir müssen jedoch ganz offensichtlich keine Philosophen sein, um die Macht des Todes in unserem Leben zu erkennen. Der Verlust eines nahen Menschen zwingt uns alle dazu, innezuhalten und zurückzublicken.
Sinn und Zweck von Trauerfeiern
Eine Trauerfeier bietet dabei die Gelegenheit, das gesamte Leben einer Person und ihre zahlreichen Einflüsse auf ihre Mitmenschen zu beleuchten. Die Trauerrede nannten die antiken Römer laudatio funebris, also Trauerlob. Die Funktion der Trauerrede war also schon seit ihren Anfängen das Lob eines Menschen, um ihm und dadurch auch allen, die ihm nahestanden, eine Ehre zu erweisen.
Auch heute bleibt die Trauerrede eine Hommage auf ein gelebtes Leben. Eine gelungene Trauerrede ist nach wie vor eine solche, die Persönlichkeit, Lebensleistung, Werte und Prinzipien eines Menschen wertschätzend aufzeigt. Der Mensch, von dem wir uns verabschieden, wird zum Protagonisten einer Rede, welche natürlich auch seinen engsten Lebensgefährten einen Ehrenplatz bietet.
Das soll allerdings nicht heißen, dass man ihn nur blind in den Himmel loben soll! Denn paradoxerweise können wir andere Menschen nur dann ehrlich und warmherzig loben, wenn wir ihre Ecken und Kanten ebenfalls aufzeigen.
Das sind folglich 5 Eigenschaften guten Lobs, die ich in meinen Trauerreden beherzige.
1. Das Lob muss spezifisch und detailliert sein.
Nehmen wir ein ziemlich schlechtes Kompliment, wie nett. Ich könnte dieses Kompliment für ganz viele meiner Mitmenschen verbraten und es würde nichts bedeuten. Wenn ich aber spezifischer werde und ganz konkrete Details hinzufüge, kann ich es aufwerten. Sage ich etwa „Sie hört mir immer völlig wertfrei zu, auch wenn ich selbst im Erdboden versinken möchte.“, kann nur meine Freundin Elena gemeint sein. Sage ich „Sie konnte die liebevollsten Geschenke auswählen, selber machen und verpacken, die ich je erhalten habe.“, dann spreche ich von meiner Schwägerin Astrid, die uns viel zu früh verlassen hat. Es gibt eben viele Arten von nett.
Woran erkennen wir genau und im Detail die guten Eigenschaften eines zu lobenden Menschen? Diese ganz konkreten Einzelheiten gilt es in der Trauerrede aufzudecken.
2. Das Lob muss der Realität entsprechen.
Wenn ein jähzorniger Mensch auf seiner Beerdigung als Vorbild beispielloser Geduld präsentiert würde, könnte man wahrscheinlich die Trauergesellschaft mit den Augen rollen hören. Wenn man aber herausfindet, dass er immer dann erzürnte, wenn Kollegen ungerecht behandelt wurden oder aber wenn jemand ihn zu bestimmten Handlungen zu zwingen versuchte, dann haben wir Hinweise auf die ihm offensichtlich extrem wichtigen Prinzipien, deren Verletzung ihn aufbrachte, nämlich Fairness bzw. Selbstbestimmung. Und das wiederum ist eine gute Basis für ein ehrliches, der Wahrheit entsprechendes Lob.
3. Es kann nicht alles gut sein.
De mortuis nil nisi bene.
Über Verstorbene darf man nur gut sprechen.
So lautet ein lateinisches Sprichwort, das wir heute noch beherzigen können.
Trotzdem kann das Lob in der Trauerrede nicht ernst genommen werden, wenn alles, was gesagt wird, ausschließlich positive Seiten aufzeigt bei auffallendem Verschweigen der negativeren. Wenn wir fälschlicherweise den Eindruck erwecken wollen, dass – ach, schon wieder! – ein Heiliger diese Welt verlässt, verliert der inflationäre Gebrauch von blindem Lob seine Wirkung. Diese Ehrlichkeit wird uns belohnen, denn …
4. In den Ecken und Kanten stecken die größten Stärken
Diese Grundregel, die mir in meiner Tätigkeit als Freie Rednerin stets weiterhilft, habe ich in der Schule von meinen Schülern gelernt. Klagt ein Schüler, er sei im Unterricht zu schüchtern und still, kann ich in seiner Beobachtungsgabe und Einsicht eine große Ressource entdecken. Spielt ein anderer den Clown, so hoffe ich immer, dass er seine Fähigkeit, in jeder Situation andere zum Lachen zu bringen, trotz aller Mahnungen nie verliert.
Deswegen lautet mein Motto in der Agentur:
„Wahre Wertschätzung wertet nicht, sondern entpuppt Macken als verkannte Ressourcen.“
Silvia Ulivi
5. Man darf Gegensätzliches loben.
Ich kann an dem einen Menschen die erstaunliche Karriere, an dem anderen die bedingungslose Hingabe an seine Familie schätzen. Ich kann die Selbstbestimmtheit des einen und den Gemeinschaftsgeist des anderen beeindruckend finden. Ich kann sowohl vorausschauende Planung als auch lebenslustige Spontaneität als vorbildhaft loben.
Denn es geht nicht darum, dass ich Lebensentscheidungen anderer anhand meiner eigenen Lebensphilosophie bewerte. Das ist das Schöne an der aktiven Bemühung, jedem Menschen wertfrei zu begegnen: Durch die Demut der Lernbereitschaft lässt man die Chance zu, aus jeder Begegnung tiefsinnige Lehren und starke Botschaften zu gewinnen.
Zum Schluss ein Bonustipp. Es wird zu schnell gemeckert und zu selten gelobt. Beim ehrlichen Lob gilt: Mehr ist mehr!
Eure Silvia
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